Mission impossible
Einsatz für die Demokratie. Die Absolventen Armin Rabitsch, Michael Lidauer und Paul Grohma (v.l.n.r.) sind als Wahlbeobachter für die EU und OSZE bei internationalen Missionen im Einsatz. Wie sie ihre Erfahrungen aus Afrika, Südostasien und Osteuropa auch in die Weiterentwicklung der Demokratie zu Hause einbringen, erzählen sie im univie-Interview.
Interview: Siegrun Herzog
univie: Was machen Sie als internationale Wahlbeobachter?
Paul Grohma: Ich bin abwechselnd als Wahlbeobachter für die EU-Kommission und als Projektevaluator für Ärzte ohne Grenzen im Ausland unterwegs, meist zwei- bis dreimal im Jahr für jeweils bis zu drei Monate. Mein letzter Einsatz hat mich als „long term observer“ nach Haiti geführt, d.h. ich war bereits ein Monat vor der Wahl vor Ort und habe mir den Wahlkampf und die Menschrechtssituation im Land angesehen, mir durch Gespräche mit Kandidaten, Journalisten, NGOs etc. ein Bild gemacht. Den Auszählungsprozess nach der Wahl habe ich ebenfalls beobachtet. Die Periode zwischen der Wahl und der Ankündigung der Resultate ist immer extrem heikel, da kann es auch zu Unruhen kommen.
Michael Lidauer: Wir sind auch in „expert missons“ tätig, d.h. wir schauen uns gewisse Teilbereiche von Wahlen an, etwa die Wahlgesetzgebung, die Parteienfinanzierung oder den Zugang von Personen mit Behinderungen zur Wahl. Darüber verfassen wir Expertenberichte, die an die jeweilige Regierung überreicht und nach Möglichkeit von den Wahlbehörden umgesetzt werden.
univie: Inwiefern ist diese Arbeit auch als Beitrag zur Demokratisierung zu sehen?
Armin Rabitsch: Eine Wahlbeobachtungsmission endet mit einer offiziellen Stellungnahme und Empfehlungen, die von den Ländern umgesetzt werden sollen. Der Einsatz erfolgt auf Einladung der Regierung, die sich davon auch eine Weiterentwicklung des Wahlsystems erwartet, insofern verstehen wir unsere Arbeit als Beitrag zur Demokratisierung.
univie: Haben Ihre internationalen Einsätze auch Ihr Verhältnis zur westlichen bzw. österreichischen Demokratie verändert?
Grohma: Bei jedem Einsatz ist es spannend zu sehen, wie Wahlen unter ganz anderen Voraussetzungen abgehalten werden als bei uns. Ich erinnere mich an einen Einsatz in der Demokratischen Republik Kongo, die flächenmäßig fast so groß wie Europa ist, aber kaum Verkehrsinfrastruktur hat. Das Wahlmaterial, die Urnen und Wahlkabinen rechtzeitig zu verteilen, war schon rein logistisch ein Problem. Dazu kam, dass die meisten Menschen keine Personaldokumente hatten und vor der Wahl noch Personalausweis oder Wahlkarten ausgestellt werden mussten.
Lidauer: Abgesehen vom lokalen Kontext messen wir Wahlprozesse auch an internationalen Standards. Es ist uns ein Anliegen, unsere internationalen Erfahrungen auch in den Reformprozess in Österreich einzubringen.
univie: Sie haben 2013 die unabhängige Plattform wahlbeobachtung.org gegründet. Was sind Ihre Anliegen?
Rabitsch: Wir teilen die Auffassung, dass Wahlen oder Demokratie generell ein dynamischer, kontinuierlicher Prozess sind und kein statisches, festgeschriebenes Regelwerk. So wie sich die Gesellschaft weiterentwickelt, soll sich auch die demokratische Praxis weiterentwickeln. Auch hochentwickelte Demokratien wie jene in Österreich haben die Pflicht sich zu modernisieren, sich weiterzuentwickeln und nicht stehen zu bleiben. Wir meinen, dass die Zivilgesellschaft mehr eingebunden werden und mit dem Gesetzgeber im Austausch stehen sollte. Unsere Arbeit in Österreich versteht sich auch als Beitrag zur Stärkung der Demokratie in Österreich.
univie: Wie stehen Sie zu E-Democracy? Ist Wählen per Mouseklick eine Option für die Zukunft?
Grohma: Wir vertreten den Standpunkt, dass Wählen schon noch einen sehr starken Persönlichkeitscharakter hat. Der Bürger/die Bürgerin kann sich hier persönlich in den demokratischen Prozess einbringen. In unseren Augen ist die Nachvollziehbarkeit, die Kontrollierbarkeit auch durch die Zivilgesellschaft ein wichtiges Element der Demokratie, das würde mit digitalem Wählen wegfallen. Außerdem hat der VfGH festgestellt, dass E-Voting in Österreich nicht verfassungskonform ist.
univie: Danke für das Gespräch!