Pekuniäre Positionen. Wenig bestimmt unser aller Leben so sehr und ist dabei zugleich so unterschiedlichen Ansprüchen und Bedeutungen unterworfen: Geld. Man will es ausgeben, anlegen, für später aufheben oder gar nicht darüber nachdenken. Für manche ist es wichtig, für andere nicht. Es macht nicht glücklich, sagt man. Und doch brauchen wir alle es, tagtäglich, unser Leben lang. Was macht Geld mit uns, und was machen wir damit? (Foto: Shutterstock)
Leseprobe aus dem Schwerpunkt:
Was ist uns Geld wert?
Text: Siegrun Herzog
Der Finanzwissenschafter erforscht, wie es unser Verhalten beeinflusst, die Anlage-Analystin weiß, wie man’s vermehrt. Der Philosoph denkt grundsätzlich darüber nach, was unser Vertrauen darin begründet, die Ethic-Finance-Expertin ist überzeugt, man könne damit die Welt verändern. Der Start-up-Unternehmer braucht es, um sein Unternehmen wachsen zu lassen, der Business Angel investiert seines in zukunftsträchtige Ideen anderer. Der Banker kommentiert die aktuelle Zinspolitik und Alumni, die im Ausland leben, geben Einblick in ihren privaten Umgang damit. Standpunkte zum Geld aus acht unterschiedlichen Perspektiven.
Finanzwissen: Was wir beim Geldanlegen falsch machen
"Ein wichtiges Phänomen bei der Geldanlage ist die Verlustaversion. Leute haben Angst, Geld zu verlieren: Sie leiden viel mehr, wenn sie zehn Euro verlieren, als sie sich freuen, wenn sie zehn Euro gewinnen. Die Auswirkungen davon sieht man z. B. bei Anlagen, die stark schwanken: Die Leute investieren zu wenig in Aktien, weil sie verlustavers sind. Aktien haben im Schnitt höhere Erträge als Anleihen, aber die Leute denken, es ist unsicher, und schrecken davor zurück. Dass so viele im Schnitt zu konservativ agieren, ist ein interessantes Phänomen, das man mit dieser Forschung erklären kann.
„Man kann eindeutig zeigen, dass Leute mit höherer Financial Literacy, die z. B. Zinseszinsrechnung verstehen, im Schnitt mehr in Aktien investieren. Ein geringes Finanzwissen kann also Ihr Leben verändern."
Jean-Robert Tyran, Professor für Volkswirtschaftslehre und
Leiter des Wiener Zentrums für Experimentelle Wirtschaftsforschung
an der Uni Wien
Bei Aktien haben wir relativ starke Schwankungen, es kann leicht einmal 30 % runtergehen, das schmerzt natürlich, aber über längere Horizonte, ein Jahrzehnt oder länger, ist das Risiko eines Verlustes relativ klein. Gerade junge Leute sollten daher vorausschauend daran denken, für ihre Pension zu sparen.
Wenn sie 30 Jahre oder mehr haben, sind Investitionen in Aktien sicher vorzuziehen. Im Prinzip kann man schon mit kleinen Summen, ein paar hundert Euro im Jahr, sehr diversifiziert einsteigen. Früher waren Aktien etwas für reiche Leute, das stimmt heute so nicht mehr. Man kann eindeutig zeigen, dass Leute mit höherer Financial Literacy, die z. B. Zinseszinsrechnung verstehen, im Schnitt mehr in Aktien investieren. Ein geringes Finanzwissen kann also Ihr Leben verändern, denn es macht relativ viel aus, ob sie 6 % Rendite haben oder 3 %, übers Leben gerechnet." •
Anlgen & Vorsorgen: Wer jung ist, kann sich Risiko leisten
"Einsteigen kann man schon mit kleinen Summen, beispielsweise mit dem sogenannten ,Wertpapier Sparen‘, das ist schon ab 40 € pro Monat möglich. Wo man investieren sollte? Je nach Risikobereitschaft und Anlageziel! Prinzipiell bin ich der Meinung, dass eine breite Streuung über verschiedene Anlageklassen zu bevorzugen ist. Je diversifizierter das Portfolio, umso eher können Rückschläge in einzelnen Anlageklassen ausgeglichen werden.
"Grundsätzlich darf die Aktienquote ruhig höher sein, wenn der Anleger oder die Anelgerin noch jung ist, denn dann hat er oder sie einfach mehr Zeit, eventuelle Rückschläge wieder auszugleichen.“
Monika Rosen-Philipp, Alumna Übersetzen und Dolmetschen, Chefanalystin UniCredit
Hier noch ein paar Gedanken zum Thema ,Technologie-Aktien‘, das immer wieder für Schlagzeilen sorgt. Unheimlich viel Geld wurde schon damit verdient – noch mehr aber verloren. An der Börse sind Tech-Aktien so ziemlich der volatilste Sektor, den es gibt, und das nicht erst seit dem phänomenalen Aufstieg und darauffolgenden Absturz zu Beginn unseres Jahrtausends (Dotcom-Blase!). Gerade scheinen wir wieder so eine Phase zu durchlaufen. Die sozialen Netze feierten in den vergangenen Jahren einen rasanten Aufstieg, sowohl bei den Nutzerzahlen als auch als Aktien an der Wall Street, allen voran Facebook.
Klar ist: ErfinderInnen mit neuen Ideen brauchen GeldgeberInnen, die an sie glauben und sie finanzieren. Im Gegenzug wollen AnlegerInnen zu allen Zeiten in die jeweils modernste Technologie investieren, um an den künftigen Wachstumschancen teilhaben zu können. Dass dies sehr oft mit hohem Risiko und eventuell auch mit Verlusten verbunden ist, steht außer Frage. Für den/die PrivatanlegerIn ist daher ein Fonds, der das Risiko über viele verschiedene Titel streut, in den meisten Fällen das Mittel der Wahl.“ •
Gründen:Ohne Geld kein Start-up, am liebsten von der Crowd
"Als Start-up-Unternehmer muss man Risikobereitschaft mitbringen. Ich sehe Geld als Mittel zum Zweck, damit es weitergeht. Einen Business Angel oder großen Investor gab es während der ersten eineinhalb Jahre nicht, sehr wohl aber Wegbegleiter, die uns unterstützt und Geld geborgt haben – damit konnten wir uns anfangs finanzieren. Der Markt ist total schnelllebig, wir müssen ein gewisses Tempo vorlegen, damit wir nicht von den Großen kopiert werden. Wir haben auch Geld verloren, Lehrgeld bezahlt – sicher 150.000 Euro – manches würden wir heute anders machen.
„Crowd Investing ist super, es ist schön, Menschen an unserem Erfolg teilhaben zu lassen, die auch an uns glauben und uns unterstützen. Wenn man sein eigenes hart verdientes Geld in ein Unternehmen steckt, das gerade in der Wachstumsphase ist, dann ist das schon ein gutes Gefühl als Unternehmen, so viele Leute hinter sich zu wissen."
Thomas Miksits, studierte IBWL an der Uni Wien, Gründer und Geschäftsführer all i need
Wenn man in so einem Hamsterrad drinnen ist und läuft, läuft, läuft, nur Vertrieb und Marke im Kopf hat, dann bleibt oft wenig Zeit, aufs Unangenehme zu schauen, dann geht dir das Geld aus. Das ist zwei- bis dreimal fast passiert und das war dann schon heftig, weil dann denkt man sich, all i need wächst, aber wenn das Geld jetzt weg ist, ist’s vorbei. Da gab es Zeiten, die ich nie wieder erleben will.
Über die Crowd-Investing-Plattform CONDA haben wir gerade eine halbe Million Euro akquiriert. Crowd Investing ist super, es ist schön, Menschen an unserem Erfolg teilhaben zu lassen, die auch an uns glauben und uns unterstützen. Wenn man sein eigenes hart verdientes Geld in ein Unternehmen steckt, das gerade in der Wachstumsphase ist, dann ist das schon ein gutes Gefühl als Unternehmen, so viele Leute hinter sich zu wissen. 600 haben schon in all i need investiert. Allerdings ist das Geld nicht billig – Crowd Investing ist teuer für ein Unternehmen, weil wir 4 – 4,5 % Zinsen zahlen. Bei einer halben Million Euro sind das 20.000 Euro pro Jahr.
Unser Unternehmen ist heute 4,5 Mio. Euro wert, aber verkaufen würde ich jetzt auf keinen Fall, wir haben einfach noch zu viel vor. Wir wollen noch viele weitere Produkte auf den Markt bringen und nachhaltig etwas Positives in den Ländern, aus denen die Zutaten für unser Getränk stammen, zurücklassen. Wir unterstützen Projekte und sorgen dafür, dass Bildung vor Ort geschaffen wird. Mit einer Palette all i need-Dosen finanzieren wir ein Monat Schulbildung für ein Kind in Sri Lanka, Tibet und Nepal." •
Philosophie: Warum vertrauen wir Geld so sehr?
"Was mich philosophisch daran fasziniert, ist, wie sehr wir auf das Geld vertrauen. Wir arbeiten einen ganzen Monat lang, und alles, was wir dafür kriegen, sind Magnetspuren auf irgendwelchen Festplatten irgendwelcher Bankinstitute, die gemäß einer Vielzahl von Regeln, die niemand im Ganzen überblickt, einen Kontostand darstellen. Das Ausmaß des Glaubens, den es braucht, um da mitzumachen, ist atemberaubend.
Nur dadurch gibt es Geld überhaupt, durch unsere gemeinsame Akzeptanz dieser sehr filigranen und ephemeren Strukturen als Geld. Das fußt tatsächlich auf gesellschaftlich geteilter Akzeptanz. Worauf wir vertrauen? Dass die Scheine und Münzen und was da alles auf irgendwelchen Festplatten gespeichert ist, dass das als Geld akzeptiert wird. Und nur durch dieses Vertrauen ist es auch Geld – aus unserer Akzeptanz wächst die Existenz des Geldes.
Auch die Nationalbank fußt in dem, was sie ist und tun kann, auf unserem Vertrauen. Das alles gibt es nicht unabhängig von unserer Haltung dazu und unserer Praxis, mit der wir damit umgehen. Wir denken vielleicht, dass wir Geld deshalb akzeptieren, weil es Wert hat. Aber es ist umgekehrt. Es hat Wert, weil wir es akzeptieren.
"Nur dadurch gibt es Geld überhaupt, durch unsere gemeinsame Akzeptanz dieser sehr filigranen und ephemeren Strukturen als Geld. Das fußt tatsächlich auf gesellschaftlich geteilter Akzeptanz."
Hans Bernhard Schmid, Professor für Sozialphilosophie an der Uni Wien
Mit Geld verbinden wir Kalkül, Macht, Unterwerfung unter anonyme Mechanismen und ökonomischen Imperialismus. „Ökonomisierung“ und „Kommerzialisierung“ sind fast schon Schimpfworte – sie prangern an, dass auf Kaufkraft statt auf solidarische Beziehungen und gemeinschaftliche Selbstorganisation gesetzt wird. Tatsächlich ist das Bezahlen immer so ein bisschen Distanznehmen. Sie geben mir etwas, ich bezahle Ihnen den vereinbarten Preis – wir sind quitt und können auseinandergehen, statt dass wir uns in eine Beziehung von Dankbarkeit und schwer abschätzbaren Gegengabeerwartungen verstricken.
Manchmal geht das auch ohne Geld, als Gütertausch, aber Geld macht’s fast überall leichter. Und es macht unabhängig davon, über welche Güter die Beteiligten gerade verfügen. Dadurch individualisiert Geld, und es schafft eine Form von Autonomie – wenn man es denn hat. Zu den Bereichen, in denen Ökonomisierung auf Widerstand stößt, gehört der Intimbereich: Einen Freund kann man nicht kaufen. Es gibt wohl auch materielle Objekte, deren Wert man nicht beziffern möchte, weil schon der Gedanke, das irgendwie zu quantifizieren und damit mindestens in Gedanken zu Markte zu tragen, dem nicht gerecht wird, was es ist.“ •
Ethic Investment:Gemeinwohl im Fokus
"In Sachen ethisches Investment hat sich in den vergangenen zehn Jahren viel getan. Die Finanzkrise hat sicher ihren Teil dazu beigetragen, weil das Vertrauen in die Finanzwirtschaft gesunken ist. Man schaut genauer hin: ,Ist das wirklich gut fürs Gemeinwohl?‘ Bei vielen Privatkunden und auch einigen größeren Unternehmen hat ein Umdenken eingesetzt. So haben sich z. B. auch die Pensions- und Mitarbeitervorsorgekassen mit dem Thema beschäftigt – und sie verwalten doch einiges an Vermögen. Wenn diese großen Player auf eine nachhaltige Vermögensanlage schauen, dann werte ich das schon als enorme Errungenschaft.
"Wenn die Sparzinsen weiterhin so niedrig bleiben, könnte ethisches Investment in Zukunft für Privatkunden noch interessanter werden."
Marion Fercher, Alumna der BWL (WU Wien) und Alumna des Zertifikatskurses „Ethic Finance“ an der Uni Wien, kaufm. Geschäftsführerin Caritas Kärnten
Unter ethisches Investment fallen Geldanlagen, die neben wirtschaftlichen Anlagezielen auch ethische Wertvorstellungen berücksichtigen, man spricht auch von ökologisch nachhaltigem und sozial verantwortlichem Investment. Wenn die Sparzinsen weiterhin so niedrig bleiben, könnte ethisches Investment in Zukunft für Privatkunden noch interessanter werden. Wenn ich als Investorin Finanzierungsmodelle unterstütze, wo das Soziale im Vordergrund steht, sollte ich zwar keine Rendite von 5 % erwarten, bei der gemeinnützigen Genossenschaft Oikocredit etwa ist die Dividende mit 2 % gedeckelt, das ist im Vergleich zum Sparbuch aber immer noch deutlich attraktiver.
Mittlerweile gibt es auch schon zahlreiche Fonds, die sich der Nachhaltigkeit verschrieben haben und eine gute Rendite abwerfen. Es macht jedenfalls Sinn, sich damit zu beschäftigen – unser Geld tut ja etwas, wir können Geld gut einsetzen oder schlecht einsetzen. Und ich kann mich bewusst dafür entscheiden, meine finanziellen Ressourcen sozial nachhaltig zu verwenden." •
Veranstaltungstipp:
Alumni Lounge #2: Wie viel ist mein Geld in zehn Jahren wert?
Mittwoch, 29. Juni 2016, 18:30 Uhr Sky Lounge, Universität Wien Oskar-Morgenstern-Platz 1, 1090 Wien